
Vom 15. bis 24. August 2025 fand in Weimar das internationale Sommercamp „Jugend im Europa des Kalten Krieges“ statt. Das Camp brachte 35 Teilnehmende im Alter von 18 bis 27 Jahren aus sechs Ländern zusammen.
Im Rahmen des internationalen Sommercamps wurden Themen aus der politischen Geschichte des modernen Europas mit der sozialen und kulturellen Geschichte des Kontinents in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts verknüpft. Durch die Auseinandersetzung mit verschiedenen Aspekten des Aufwachsens in Europa während des Kalten Krieges wurden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Camps dazu angeregt, über Kontinuitäten und Veränderungen nachzudenken, die sich in der heutigen Gesellschaft widerspiegeln.
Die Aktivitäten des internationalen Sommercamps konzentrierten sich auf zwei zentrale Fragen, die mit unterschiedlichen Methoden bearbeitet wurden. Zum einen ging es darum, wie verschiedene Regime in Europa in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts versucht haben, die Einstellungen und das Verhalten junger Menschen zu prägen. Zum anderen stand im Fokus, wie junge Einzelpersonen und Gruppen mit staatlichen Politiken und Praktiken gegenüber Jugendlichen umgingen, welche Handlungsmöglichkeiten ihnen damals zur Verfügung standen und welche Folgen es hatte, Regeln und Normen nicht zu akzeptieren oder sich aktiv dagegen zu widersetzen.

Am Freitag, dem 15. August, waren die Ankunft der Teilnehmenden und das gegenseitige Kennenlernen vorgesehen. Nach der Vorstellung des Organisationsteams und der Einleitung der Kommunikation unter den Teilnehmenden wurde der Abend mit informellen Gesprächen und Musik fortgesetzt. Am Folgetag stellten die Seminarleiter Rebekka Pfennig, Markus Rebitschek und Boris Stamenić das Programm vor und vertieften das Kennenlernen. Am Nachmittag widmete sich das Programm der Einführung in das Thema „Kalter Krieg“: Die Teilnehmenden sammelten Assoziationen und antworteten auf die Fragen, sodass ein Überblick über ihr Vorwissen und ihre Interessen an bestimmten Unterthemen entstand. Nach dem Abendessen nahmen die meisten an einem fakultativen Orientierungsspaziergang durch Weimar teil.
Am Sonntag, 17. August, besuchten die Teilnehmenden die Gedenk- und Bildungsstätte Andreasstraße in Erfurt. Der Vormittag war einer Führung durch das ehemalige Stasi-Untersuchungsgefängnis gewidmet. Seit 2012 beherbergt das Gebäude die Ausstellung „Haft – Diktatur – Revolution: Thüringen 1949-1989“. Am Nachmittag setzten die Teilnehmenden ihre Erkundung des Museums mit digitalen Audio- und Videoguides individuell fort und diskutierten anschließend in Kleingruppen ihre Eindrücke und neuerworbenes Wissen.

Der nächste Vormittag war der Reflexion des Besuchs in der Andreasstraße gewidmet. Anschließend stand das Thema visuelle Repräsentation im Kalten Krieg im Mittelpunkt. Anhand von Propagandaplakaten, Karikaturen und Fotografien aus der Zeit des Kalten Krieges beschäftigten sich die Teilnehmenden mit wichtigen Themenfeldern der historisch-politischen Bildung wie Propaganda, Ideologie im Alltag, Transformation der gesellschaftlichen Rolle von Frauen und Modernisierungsbegleitende Entstehung von neuen Freiheitsräumen. Durch die kritische Auseinandersetzung mit vorgelegten visuellen Quellen wurden die Teilnehmenden zudem für die Notwendigkeit sensibilisiert, (visuelle) Botschaften und Inhalte auch im Alltag kritisch zu hinterfragen. Nach mehreren intensiven Arbeitstagen war Dienstag der Reflexion, fakultativen Aktivitäten und Erholung vor der zweiten Phase des internationalen Sommercamps gewidmet.

Nach der Beschäftigung mit dem breiteren Kontext des Kalten Krieges in den Vortagen wurde der Mittwoch dem Titelthema des Sommercamps gewidmet. Am Vormittag beschäftigten sich die Teilnehmenden mit staatlichen Massenorganisationen für Kinder und Jugendliche im Kalten Krieg, indem sie nach kurze Recherche die Poster erstellten.
Die Posterpräsentationen und die abschließende Diskussion zeigten, dass es in den sozialistischen Staaten Mittelosteuropas sehr ähnliche Pionier- und Jugendorganisationen gab. Darüber hinaus wiesen die Präsentationen auf die Existenz vergleichbarer Jugendorganisationen in Portugal und Griechenland während ihrer Diktaturen hin, trotz nominal völlig unterschiedlicher ideologischer Grundlagen.
Der Nachmittag war den Jugend-Subkulturen im Kalten Krieg gewidmet. Nach einem Einführungsvortrag bereiteten die Teilnehmenden kurze Sketche vor und führten diese anhand von historischem Fotomaterial und Online-Recherche auf.

Am Donnerstag, dem 21. August, waren die Biografie und Oral History als historische Quellen das Thema. Am Nachmittag hatten die Teilnehmenden die Gelegenheit, mit zwei Zeitzeug:innen des Kalten Krieges zu sprechen, die ihre Erfahrungen vom Aufwachsen in der DDR schilderten.
Das Gespräch mit der Theologin Renate Ellmenreich (geb. 1950) konzentrierte sich auf ihre Erfahrungen in Jena, wo sie in der zweiten Hälfte der 1970er Jahre eine evangelische Jugendgemeinschaft leitete. Besonders die Teilnehmenden aus der ehemaligen Tschechoslowakei interessierten sich für ihre Erinnerungen an Aufenthalte in der ČSSR und an den Prager Frühling 1968.
Der Historiker Holm Kirsten (geb. 1965) berichtete hauptsächlich über subversive Graffiti, die er 1983 mit Gleichaltrigen in Weimar anbrachte, sowie über seine darauf bezogene sechsmonatige Haft im Untersuchungsgefängnis Andreasstrasse in Erfurt.

Freitag und Samstag waren den künstlerischen Workshops gewidmet. Die Teilnehmenden konnten zwischen drei von externen Trainer:innen geleiteten Workshops wählen und ihre neu gewonnenen Erkenntnisse und Erfahrungen kreativ umsetzen. Die sehr vielfältigen und einfallsreichen Ergebnisse – von Video- und Audiobeiträgen über Collagen bis hin zu kurzen Theaterstücken – wurden am Samstagvormittag präsentiert.
Die Abschlussdiskussion und Evaluation machten deutlich, dass die Teilnehmenden mit ihren Erfahrungen im internationalen Sommercamp sehr zufrieden waren. Manche äußerten das Interesse an einer weiteren Vertiefung bestimmter Themen. Eine Abschlussparty am Samstagabend und die Abreise am Sonntagvormittag markierten den Abschluss des zehntägigen Treffens im schönen Weimar.
Das internationale Sommercamp wurde in Zusammenarbeit zwischen dem Verein Retrovizor und der Europäischen Jugendbildungs- und Begegnungstätte Weimar (EJBW) vorbereitet und implementiert. Darüber hinaus wurde die Durchführung des Sommercamps von Partnerorganisationen Schola Fidentiae aus Tschechien, Vision Network Athens aus Griechenland, European Humanities University aus Lithauen und Dinamo Sintra aus Portugal unterstützt. Ermöglicht wurde die Veranstaltung durch die finanzielle Unterstützung der Europäischen Union und der Bundesrepublik Deutschland.

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